Für Garagengold-Spekulanten ist er eine der besten Geldanlagen, für die Fans legendärer Sportwagen schlicht das schnellste und glamouröseste Supercar der späten 1950er Jahre. Der Mercedes 300 SL Roadster war nicht nur Nachfolger des Flügeltürers, er überflügelte den Gullwing durch atemberaubende Offenheit. Der amerikanische Mercedes-Importeur Max Hoffman wusste, was zu tun war als die Marke mit dem Stern nach einem Ersatz für den 300 SL mit seinen spektakulären Flügeltüren fahndete. Schließlich hatte Hoffman bereits die Straßenversion dieses Racers initiiert und nun – passgenau für die Open-Air-Saison 1957 – hoffte er auf eine offene Variante, den 300 SL Roadster. Der Daimler-Benz-Vorstand ließ sich rasch überzeugen, zumal die ersten Roadster-Prototypen bereits 1954 gebaut worden waren.

Technisch entsprach der offene SL weitgehend dem Coupé, allein die Hinterrad-Aufhängung wurde moderner. Mercedes übernahm dazu die Eingelenk-Pendelachse des Typs 220a mit tiefer gelegtem Schwerpunkt und verbesserte so die Fahreigenschaften des Frischluftrenners gegenüber der Blechdachversion deutlich. Tatsächlich gelang es dem bis zu 165 kW/225 PS starken Sonnensegler aus dem übergroßen Schatten seines mit Flügeltüren bewehrten Vorgängers zu fahren, wie die eindrucksvollen Verkaufszahlen verrieten.

Insgesamt 1.858 Einheiten des damals weltweit schnellsten offenen Seriensportwagens wurden gebaut, avancierte er doch zur Insignie des internationalen Jetsets und Geldadels. Vor allem aber setzte der muskulöse 300 SL zusammen mit dem Vierzylinder-Typ 190 SL die Initialzündung zur offenen SL-Baureihe. Kostspielige Roadster, die sich mit bis heute rund 750.000 Einheiten auf Platz zwei der ewigen Bestenliste der meistverkauften Frischluft-Zweisitzer positionieren – hinter dem preiswerten Mazda MX-5.

Eine solche Verbreitung hatten die Väter des 300 SL nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorhergesehen. Ihnen ging es vor 60 Jahren darum, den muskulösen Sechszylinder-Roadster als reisetaugliche Alternative zu Supersportlern von Jaguar, Maserati, Ferrari oder Aston Martin zu etablieren.

Kostspielig war der Roadster bereits in der Basisversion, die mit 32.500 Mark zu Buche schlug. Das war deutlich mehr als für den Flügeltüren-Vorgänger verlangt wurde, zugleich aber gut ein Drittel weniger als die wichtigsten Konkurrenten für ihre Supersportler berechneten.
Gemeinsam mit dem kleineren Bruder 190 SL ging der 300 SL in den Ruhestand, während die Medien den 230 SL mit markantem Pagodendach als neuen Star am Roadsterfirmament feierten.

Die Preise für den 300 SL haben in den letzten Jahren raketengleich abgehoben, wie ein Blick in Gebrauchtwagenportale zeigt. Seit 2012 verdreifachten sich dort die Preisforderungen für makellose Sternenträger auf bis zu 1,5 Millionen Euro. Eine gute Geldanlage, sofern die horrenden Kosten für den Erhalt des Concours-Zustands unberücksichtigt bleiben. Überraschend ist, dass nicht einmal alle Fachleute konsequent zwischen 300 SL Coupé und Cabrio differenzieren, die nie parallel gebaut wurden. Und so wurden im Jahr 1999 beide 300-SL-Versionen von einer Experten-Jury zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ gewählt. Wolfram Nickel